Geschichte

Gestern und heute: Auf schmalen Spuren durch das Waldviertel

Ein ganzes Jahrhundert lang hat die Schmalspurbahn im Waldviertel Menschen und Güter transportiert. Sie war kraftvolles Symbol für den Aufbruch in die Zukunft. Hoffnungsträgerin einer ganzen Region. Zwei Weltkriege machten die freudigen Erwartungen beinahe zunichte. Die Strecken lagen nunmehr an einer toten Grenze. Ab den 1960er Jahren machten die zunehmende Motorisierung, der Ausbau des Straßennetzes und der immer stärker werdende Individualverkehr der Bahn schwer zu schaffen. Im Jahr 2001 wurde der Gesamtverkehr auf der Strecke seitens der ÖBB schließlich eingestellt. Das Ende einer Traditionsbahn?

Eine Fahrt wie anno dazumal. Die imposante Dampflok Mh.1 unterwegs mit der Nostalgiegarnitur. ©NB/Krippl

Nein! Auch heute noch – nach mehr als 115 Jahren – ist die Waldviertelbahn erfolgreich als touristisches Angebot für die großen und kleinen Gäste unterwegs.

Aber der Reihe nach. Bereits in den 1870er Jahren erhielt das Waldviertel mit der Kaiser-Franz-Josefs-Bahn von Prag nach Wien einen Anschluss an das europäische Eisenbahnnetz. Der damit verbundene wirtschaftliche Aufschwung ließ den Wunsch nach weiteren Bahnanschlüssen entstehen, die zum Teil als normalspurige Lokalbahnen verwirklicht wurden.

Die feierliche Eröffnung der Südstrecke. Der erste Zug macht sich vom Bahnhof Gmünd aus auf den Weg. ©gemeinfrei, Wikimedia

Im Jahr 1899 wurde die „Niederösterreichische Waldviertelbahn AG“ gegründet, mit der Betriebsführung der zu realisierenden Bahnstrecken wurden die Niederösterreichischen Landesbahnen beauftragt. Noch im selben Jahr wurde mit dem Bau der Nordstrecke nach Litschau und Heidenreichstein begonnen und bereits 1900 konnte der planmäßige Verkehr aufgenommen werden. Ein Jahr später wurde mit dem Streckenbau südlich von Gmünd gestartet. 1902 fuhr schon der Eröffnungszug auf dem Teilstück zwischen Gmünd und Bad Großpertholz. Die Fortsetzung nach Groß Gerungs ging 1903 in Betrieb. Damit erreichte das Waldviertler Schmalspurnetz seine größte Ausdehnung, die auch heute noch vollständig erhalten und befahrbar ist.

Die Waldviertler Schmalspurbahnen präsentierten sich von Beginn an als innovatives und effizient geführtes Verkehrsunternehmen. Im Personenverkehr kamen bereits ab 1904 moderne Dampftriebwagen zum Einsatz. Der Bahnverkehr entwickelte sich den Erwartungen entsprechend und brachte der Region den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung.

Ein großer Dampftriebwagen im Bahnhof Groß Gerungs. ©gemeinfrei, Wikimedia

Während des Ersten Weltkriegs wurden einzelne Fahrzeuge eingezogen und kamen am Balkan zum Einsatz. Die politischen Folgen des Kriegs bescherten dem Bahnbetrieb jedoch weitaus größere Probleme. 1921 wurden die Niederösterreichischen Landesbahnen aufgelöst, die Strecken wurden von den Österreichischen Bundesbahnen (damals BBÖ) übernommen. Nach dem „Anschluss“ 1938 erfolgte die Eingliederung der BBÖ in die Deutsche Reichsbahn, 1940 wurde auch die N.Ö. Waldviertelbahn AG aufgelöst.

Während die Schmalspurbahnen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg als unverzichtbares Verkehrsmittel für den Personen- und Güterverkehr nicht in Frage gestellt waren, war später aufgrund der allgemeinen Motorisierung ein starker Rückgang im Personenverkehr zu verzeichnen. Investitionen wurden daher in den folgenden Jahrzehnten nur in sehr bescheidenem Maß getätigt.

Heute ist die Schmalspurperle unter dem Motto „Eine Entdeckungsreise für die ganzen Familie“ durch den hohen Norden Niederösterreichs unterwegs. ©NB/Knipserl

1986 wurde auf mehreren Nebenbahnen im Waldviertel der Personenverkehr eingestellt, so auch auf den Nordästen der Schmalspurbahn. Noch im selben Jahr starteten hier die Sonderfahrten des Waldviertler Schmalspurvereins (WSV), die bis heute erfolgreich angeboten werden (Stichwort: Doppelausfahrten in Alt Nagelberg!). Auf der Südstrecke hingegen wurde erstmals eine grundlegende Modernisierung des Betriebes vorgenommen.

Anfang 2001 war es dann soweit. Der Gesamtverkehr zwischen Litschau und Gmünd wurde seitens der ÖBB eingestellt. Die Einstellung des Personenverkehrs nach Groß Gerungs war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bereits beschlossen. Die Einstellung des Planpersonenverkehrs nach Weitra und Groß Gerungs mit dem Sommerfahrplan 2001 stellte schließlich das Ende des regelmäßigen Schmalspurverkehrs dar.

Das Waldviertel in all seiner Schönheit erleben. Mit der Diesel Nostalgiegarnitur vorbei an Teichen, Wäldern und Granitblöcken. ©NB/Knipserl

Doch es sollte nicht das Ende dieser so traditionsreichen Strecken sein! Ein Vertrag zwischen Niederösterreich Bahnen (NÖVOG) und ÖBB sorgte bereits ab Juli 2001 für einen umfangreichen Touristikverkehr auf der Schmalspurbahn.

Im Jahr 2010 wurde dann die Gesamtstrecke vom Land Niederösterreich übernommen. Seitdem ist die Waldviertelbahn unter dem Dach der Niederösterreich Bahnen (NÖVOG) als touristische Bahn unterwegs und hat sich mit ihrem vielfältigen Programm zu einem Publikumsmagneten im hohen Norden Niederösterreichs etabliert.

Auf schmalen nostalgischen Spuren durch das schöne Waldviertel. Das ist Entschleunigung pur. ©NB/Weinfranz

Unter dem Motto „Eine Entdeckungsreise für die ganze Familie“ ist die Waldviertelbahn in der kommenden Saison 2020 von 1. Mai bis 1. November wieder auf den Strecken Gmünd – Groß Gerungs sowie Gmünd – Litschau für die Gäste unterwegs.

Eine Stärkung während der Fahrt darf natürlich nicht fehlen. Mohnzelten, Schmankerl und Getränke gibt es im Jausenwagen, der die Nostalgiegarnitur stets begleitet. ©NB/Weinfranz

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Quellen: waldviertelbahn.at, Wikipedia, Wikimedia